Auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Welt: eine Mission für alle
Wir als EU wollen erreichen, dass jeder Mensch es selbst in der Hand hat, die Gesellschaft und das eigene Leben zu gestalten. In unserem dritten Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter, der am 25. November angenommen worden ist und in dem wir eine geschlechtergerechte Welt fordern, halten wir dies schwarz auf weiß fest. Da die COVID-19-Pandemie erhebliche Rückschritte bei der weltweiten Gleichstellungsarbeit mit sich gebracht hat und wir beobachten können, dass sich Organisationen der Zivilgesellschaft – darunter Frauen- und LGBTIQ-Organisationen – einem schrumpfenden zivilgesellschaftlichen und demokratischen Raum gegenübersehen, ist es jetzt wichtiger denn je, den Aufbau einer geschlechtergerechten Welt voranzutreiben.
Die Geschichte von Awa ähnelt der vieler Mädchen auf der ganzen Welt, denen es gelingt, Kontrolle über ihr Leben zu erlangen und gegen geschlechtsspezifische Ungleichheiten und Diskriminierung einzutreten. Sie haben eine Stimme, sie treiben den Wandel voran, und sie haben die Europäische Union an ihrer Seite, um sie zu unterstützen. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte, und die Gleichstellung der Geschlechter ist ein nicht verhandelbarer Wert der EU – ein Wert, der sich in ihrem auswärtigen Handeln und in der Gestaltung all ihrer Entwicklungsprogramme widerspiegeln sollte.
Mit Unterstützung der EU haben Tufahah Amin, Aziza Al-Hassi und Amine Kashrouda eine Anwendung für Online-Bildung in Bengasi entwickelt. Auch wurde im vergangenen Jahr die „Gaziantep Women Platform“ ins Leben gerufen, um mehr Frauen dabei zu helfen, sich am politischen Prozess in Syrien zu beteiligen. Im Rahmen der von der EU unterstützten Initiative „Digital2Equal“ für Online-Plattformen werden 15 000 Frauen in Indien Schulungen im Gastgewerbe erhalten und können dadurch ihr Einkommen verbessern.
Die Herausforderungen für die Gleichstellung der Geschlechter sind so vielfältig wie die Zusammenhänge, in denen sie auftreten, und sie erfordern kontextspezifische Antworten, sei es über multilaterale Foren, Dialoge mit Partnerländern zu politischen Vorschlägen der EU oder die Finanzierung konkreter Projekte. Durch unsere Bildungsprogramme wollen wir dazu beitragen, dass mehr Mädchen am Unterricht teilnehmen, lernen und sich als künftige Triebkräfte des Wandels begreifen. Wir glauben, dass Bildung auch eine der wirksamsten Möglichkeiten ist, der Isolation und dem Missbrauch zu entkommen, denn ohne wirtschaftliche Eigenständigkeit gibt es keinen Ausweg. Wir greifen das Konzept der menschlichen Sicherheit auf und integrieren die Gleichstellung der Geschlechter in unsere Schulungsprogramme für Krisenbewältigungsoperationen der EU, beispielsweise im Rahmen des Programms EUCAP Sahel Mali für interne Sicherheitskräfte (Mission der EU zum Kapazitätsaufbau).
Während der Coronavirus-Pandemie hat die geschlechtsspezifische Gewalt erheblich zugenommen, und die EU hat sich mit den Vereinten Nationen zusammengeschlossen, um Frauenhäuser und Helplines anzubieten und lokale Frauenorganisationen zu unterstützen. Geschlechts- und altersspezifische Maßnahmen und die Minderung der Risiken geschlechtsspezifischer Gewalt sind untrennbarer Bestandteil der globalen Antwort unseres „Teams Europa“ auf die COVID-19-Pandemie. Über Sofortmaßnahmen hinaus müssen wir uns jedoch weiterhin der Herausforderungen bewusst sein, mit denen Frauen in einem schrumpfenden Arbeitsmarkt und einer sich wandelnden Weltwirtschaft konfrontiert sind. Aber Herausforderungen eröffnen auch Chancen. Wir freuen uns sehr darüber, dass Frauen und Mädchen in immer stärkerem Maße an der Gestaltung des globalen Wandels beteiligt sind, wobei die neuen Generationen in Basisbewegungen für einen grünen und gerechten Übergang, gleiche Rechte für alle und Demokratie sowie für friedliche und inklusive Gesellschaften aktiv sind. Ein positiver Wandel ist möglich, und die Erholung nach der
COVID-19-Pandemie muss eine Gelegenheit sein, strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen und inklusivere Gesellschaften aufzubauen. Dabei muss unbedingt die Rolle der Frauen im vor uns liegenden ökologischen und digitalen Wandel hervorgehoben werden.
Veränderung ist nach wie vor nötig. Seit der Erklärung von Peking über die Rechte der Frau sind nun bereits 25 Jahre vergangen, und die Annahme der Resolution 1325 des
VN-Sicherheitsrates zu Frauen, Frieden und Sicherheit liegt 20 Jahre zurück. Zwar wurden seither Fortschritte erzielt, doch ist nicht ein einziges Land der Welt auf Kurs, bis 2030 die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Nicht einmal Europa, wie aus der jüngsten Aktualisierung des Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen hervorgeht. Zu viele Frauen haben noch immer keinen Zugang zu Ressourcen, grundlegenden sozialen Diensten und gleicher Macht. Daher der Ruf nach weiteren sofortigen Maßnahmen.
Der EU-Aktionsplan für die Gleichstellung ist keine Übung auf dem Papier. Er ist ein Aufruf zum Handeln, mit konkreten Maßnahmen. Wir wollen mehr Frauen und Mädchen – in all ihrer Vielfalt – dazu befähigen, wirtschaftliche, politische oder ökologische Akteure und Führungspersönlichkeiten zu sein. Wir wollen weiterhin Frauen, Frieden und Sicherheit in die umfassendere Agenda für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau einbeziehen. Wir wollen die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte fördern sowie eine gleichstellungsorientierte Führung in den
EU-Institutionen zur Norm machen und so mit gutem Beispiel vorangehen.
Wir glauben, dass die Gleichstellung der Geschlechter wichtig genug ist, um in den Mittelpunkt der europäischen Politik gestellt zu werden. Nicht nur weil eine gleichberechtigte, gerechte und inklusive Welt eine wohlhabendere und sicherere Welt für uns alle bedeutet, sondern auch, weil wir der Ansicht sind, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein eigenständiges Ziel und eine Mission für Europa ist – innerhalb wie auch außerhalb der EU.