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Die Pandemie ist längst noch nicht vorbei: Deshalb brauchen wir eine starke WHO

12.06.2020

Am vergangenen Montag nahm Dr. Tedros, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), an unserer Videokonferenz mit den EU-Entwicklungsministern teil. Bei dieser Gelegenheit sprach er über die Covid-19-Epidemie und die Rolle der WHO. Er ging auch auf den derzeitigen Stand der Pandemie ein. Sein Fazit war ziemlich alarmierend: Zwar scheint Covid-19 in Europa dank der massiven Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Union unter Kontrolle zu sein, doch ist dies in der übrigen Welt noch nicht der Fall. Am 5. Juni wurden weltweit 130 600 Neuerkrankungen diagnostiziert und damit ein neuer Tagesrekord aufgestellt. Die Lage auf dem amerikanischen Kontinent verschlechtert sich weiter, insbesondere in Südamerika, wie Dr. Tedros mitteilte.

Die Coronavirus-Pandemie betrifft die ganze Welt und wir können sie nur durch eine globale Lösung besiegen.

 

Diese besorgniserregende Situation macht eines deutlich: Diese Pandemie betrifft die ganze Welt und wir können sie nur durch eine globale Lösung besiegen. Wenn es uns nicht gelingt, Covid-19 überall wirksam zu bekämpfen, wird das Virus schließlich wieder zu uns zurückkehren. Manche werden behaupten, dass dieses erhöhte Risiko auf die Beschleunigung des Waren- und Personenverkehrs zurückzuführen ist – ein unerwünschter Nebeneffekt der Globalisierung. Das ist jedoch nichts Neues: Es gab schon immer ein Hin und Her von Menschen und Waren, mit denen auch Viren ins Land kamen. Wir müssen gar nicht bis zu den großen Pest-Epidemien des Mittelalters zurückgehen – erst 1918 forderte die sogenannte Spanische Grippe Millionen von Opfern. 

Die heutige Pandemie macht uns bewusst, in welchem Maße Gesundheit als einer der Faktoren zu betrachten ist, die Wirtschaftswissenschaftler als „globale öffentliche Güter“ bezeichnen.  Wenn die schwächsten Bevölkerungsgruppen in den ärmeren Ländern nicht angemessen behandelt werden, sind die wohlhabenden Menschen in den reicheren Ländern gleichermaßen betroffen. Im Geiste der Solidarität mit unseren Partnern außerhalb Europas ist daher die Unterstützung einer besseren Vorsorge und stärkerer Gesundheitssysteme seit langem ein wichtiges Anliegen der EU.

Aus diesem Grund haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten angesichts der Covid-19-Pandemie das mit 36 Mrd. EUR ausgestattete Maßnahmenpaket „Team Europa“ geschnürt, um unseren Partnerländern und den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen bei der Bewältigung der Pandemie – sowohl was die Gesundheitsversorgung als auch was die akuten sozioökonomischen Auswirkungen angeht – zu helfen. In unserer Videokonferenz am Montag haben wir darüber beraten, wie wir unsere Bemühungen besser koordinieren können, um die Umsetzung dieses Pakets vor Ort zu beschleunigen und greifbare Ergebnisse zu erzielen.  

In diesem Zusammenhang müssen wir unsere Maßnahmen auf globaler Ebene enger denn je koordinieren. Die EU und ihre Mitgliedstaaten leisten bereits den größten finanziellen Beitrag zur WHO‚ aber wir brauchen eine Weltgesundheitsorganisation mit noch mehr Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten. Es ist daher umso bedauerlicher, dass einige Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika gerade zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit eines multilateralen Handelns im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Frage stellen und ihre gesamten Beziehungen zur WHO aufkündigen. Zu gegebener Zeit wird es erforderlich sein, die Leistungen der WHO in dieser Krise sowie die Eignung ihrer derzeitigen Funktionsweise für die Bewältigung dieser Art von Pandemien zu bewerten. Unabhängig von den Problemen, mit denen die WHO möglicherweise konfrontiert ist, müssen dringend multilaterale Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergriffen werden. Die WHO ist hierfür zweifellos der beste Akteur.

Was für die Gesundheit gilt, gilt auch für viele der großen Herausforderungen, vor denen Europa heute steht: Unabhängig davon, ob es um die Bekämpfung des Klimawandels, des Verlusts an biologischer Vielfalt oder des Terrorismus oder um die Regulierung der Finanzmärkte und das Vorgehen gegen Steuervermeidung geht, brauchen wir ein starkes globales multilaterales System. Das aus der Nachkriegszeit stammende multilaterale System muss reformiert werden, damit großen Veränderungen und den aktuellen Herausforderungen besser Rechnung getragen werden kann. Als Europäische Union werden wir uns weiter für die Stärkung dieses Systems einsetzen und unsere Partner von der zwingenden Notwendigkeit multilateraler Lösungen für globale Probleme überzeugen.  

 

 

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