In Äthiopien muss der Frieden dringend wiederhergestellt werden

„Der Tigray-Konflikt droht, die gesamte Region am Horn von Afrika zu destabilisieren. Wir müssen den Menschenrechtsverletzungen ein Ende setzen und den Frieden in Äthiopien wiederherstellen.“ #AUEU
Fünf Monate nach Beginn des Konflikts ist die Lage in der äthiopischen Region Tigray weiterhin alarmierend. In einigen Teilen des Bundesstaates sind Kampfhandlungen im Gange, und die humanitäre Hilfe ist aufgrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen, der sehr instabilen Sicherheitslage und der geringen Kapazitäten der humanitären Akteure, den Sicherheitsrisiken wirksam zu begegnen, weiterhin sehr begrenzt.
„Es gibt zahlreiche Berichte über Zerstörungen, massive Plünderungen, außergerichtliche Hinrichtungen, systematische Vergewaltigungen und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsrückführungen von Flüchtlingen sowie mögliche Beschuldigungen im Zusammenhang mit ethnischen Säuberungen und Kriegsverbrechen.“
Die Lage verschlechtert sich weiter, da Millionen von Menschen keine Hilfe erhalten. Es gibt zahlreiche Berichte über Zerstörungen, massive Plünderungen, außergerichtliche Hinrichtungen, systematische Vergewaltigungen und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsrückführungen von Flüchtlingen und Beschuldigungen im Zusammenhang mit ethnischen Säuberungen und Kriegsverbrechen.
Ethnische Spannungen in anderen Regionen Äthiopiens
Ethnische Spannungen werden auch aus anderen äthiopischen Regionen gemeldet, u. a. Benishangul-Gumuz, vor allem aber Oromo und Amhara. Ganz zu schweigen von der COVID-19-Pandemie, die sich zunehmend ausbreitet: In der vergangenen Woche hat Äthiopien mit 12 000 gemeldeten Neuinfektionen die höchste Zahl an Neuinfektionen auf dem afrikanischen Kontinent verzeichnet.
„Diese Krise droht eine ohnehin fragile Region zu destabilisieren.“
Diese Krise droht eine ohnehin fragile Region zu destabilisieren. In den letzten Monaten sind rund 68 000 Äthiopierinnen und Äthiopier in den Ostsudan geflüchtet, die Spannungen entlang der Grenze zwischen Äthiopien und dem Sudan sind eskaliert und die schwierigen Verhandlungen zwischen Äthiopien, dem Sudan und Ägypten über das Auffüllen der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre sind fast zum Stillstand gekommen.
Positive Schritte angekündigt
Nachdem die äthiopische Regierung die Problematik über Wochen hinweg leugnete, hat sie nun einige positive Schritte angekündigt. Um glaubwürdig zu sein, müssen sie jedoch sehr schnell umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang habe ich meinen Kollegen Pekka Haavisto, den finnischen Außenminister, gebeten, sich an diesem Wochenende als mein Vertreter erneut in die Region zu begeben. Er wird nach Äthiopien reisen, Tigray besuchen und dem Rat (Auswärtige Angelegenheiten) auf seiner Tagung am 19. April, bei der wir gemeinsam mit den 27 Ministern aus der Europäischen Union die weiteren Schritte besprechen werden, Bericht erstatten.
Minister Haavisto hat den Auftrag, unsere Forderungen zu wiederholen und die bisher erzielten Fortschritte in verschiedenen Bereichen zu bewerten.
Erstens müssen die Kampfhandlungen eingestellt werden. Solange sie andauern, kann die humanitäre Hilfe nicht so geleistet werden, wie dies notwendig ist, und die Unsicherheit, die in vielen Teilen herrscht, könnte die für den 5. Juni vorgesehenen Wahlen im ganzen Land gefährden.
„Erstens müssen die Kampfhandlungen eingestellt werden. Zweitens muss sichergestellt werden, dass alle hilfsbedürftigen Menschen in allen Gebieten Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten. Drittens müssen Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen auf den Weg gebracht werden. Viertens, und das ist besonders wichtig, müssen die eritreischen Truppen abgezogen werden.“
Zweitens muss sichergestellt werden, dass alle hilfsbedürftigen Menschen in allen Gebieten Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten. Trotz der Verbesserungen beim Zugang zur Hilfe bleibt der Bedarf enorm und weitgehend ungedeckt, und die Lage verschlimmert sich. Dies ist auch in Gebieten der Fall, in denen Hilfe geleistet wird. Die von der Übergangsregierung der Region Tigray bestätigte Zahl der Binnenvertriebenen ist in den letzten zwei Wochen von 700 000 auf 900 000 gestiegen.
Drittens müssen Untersuchungen zum humanitären Völkerrecht und zu Menschenrechtsverletzungen auf den Weg gebracht werden. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) und die äthiopische Menschenrechtskommission (EHRC) haben sich darauf geeinigt, eine gemeinsame Untersuchung der von allen Parteien begangenen Verletzungen und Verstöße durchzuführen. Die Diskussionen über die genaue Vorgehensweise haben begonnen und sollten beschleunigt werden, damit die Untersuchungen schnell eingeleitet werden können. Dies ist Teil des Prozesses, mit dem die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, was für die Opfer dringend nötig ist.
Viertens, und das ist besonders wichtig, müssen die eritreischen Truppen abgezogen werden. Hierzu gab es in letzter Zeit verschiedene Ankündigungen, aber wir haben noch keine Bestätigung, dass dieser Rückzug vor Ort auch tatsächlich stattfindet. Auch hier müssen wir darauf achten, dass dies schnell umgesetzt wird.
Nicht genug Sichtbarkeit auf der Weltbühne
Die Krise in Tigray hat bisher auf der Weltbühne keine angemessene Aufmerksamkeit erhalten. Allerdings hat US-Außenminister Blinken kürzlich „ethnische Säuberungen“ in der Region angeprangert, hochrangige UN-Beamte haben ein Ende der willkürlichen und gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung gefordert, und für die Europäische Union hat das Thema weiterhin hohe Priorität. Gestern haben wir in der G7 unseren Willen bekräftigt, in allen oben genannten Punkten gemeinsam voranzukommen.
„Niemand hat Interesse an einer weiteren Destabilisierung und Fragmentierung – weder auf nationaler Ebene noch auf regionaler Ebene.“
Gerade weil Äthiopien ein wichtiger Partner für die EU ist, wollen wir die Gespräche fortführen und die Tür nicht zuschlagen. Niemand hat Interesse an einer weiteren Destabilisierung und Fragmentierung – weder auf nationaler Ebene noch auf regionaler Ebene. Gemeinsam mit der US-Regierung werden wir in den kommenden Wochen unsere Anstrengungen verstärken, um Fortschritte zu erzielen.
Zeit als entscheidender Faktor
Zeit ist ein entscheidender Faktor: Die Menschenrechtsverletzungen müssen unverzüglich eingestellt werden. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger von Tigray, von Äthiopien und der gesamten Region. Je länger ein Konflikt dauert, desto mehr Zeit wird für Wiederaufbau, Versöhnung und Heilung benötigt.
„Je länger ein Konflikt dauert, desto mehr Zeit wird für Wiederaufbau, Versöhnung und Heilung benötigt.“
Wie Premierminister Abiy Ahmed Ali sagte, als er vor zwei Jahren den Friedensnobelpreis dafür erhielt, dass er nach 20 Jahren Krieg den Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea wiederhergestellt hat: „Den Frieden zu pflegen, ist wie Bäume zu pflanzen und aufzuziehen. So wie Bäume Wasser und guten Boden brauchen, um zu wachsen, so braucht der Frieden ein unerschütterliches Engagement, unendliche Geduld und guten Willen, damit er gedeihen und Früchte tragen kann.“ Das ist genau das, was Äthiopien auch heute wieder dringend benötigt.
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