Der unumgängliche Kampf gegen Desinformation und Manipulation

„Ausländische Einmischung und Desinformation behindern unseren Kampf gegen die Pandemie und bedrohen unsere Sicherheit und Demokratie. Die Bekämpfung von Desinformation duldet keinen Aufschub.“
In einem kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag habe ich die Bedrohungen geschildert, denen unsere Demokratien im Cyberraum ausgesetzt sind. Ich habe auch schon oft auf den andauernden „Kampf der Narrative“ hingewiesen. Länder und politische Führungspersönlichkeiten versuchen, ihre Standpunkte zu erläutern und sich in einem positiven Licht darzustellen. Dies ist eine normale Vorgehensweise: In Demokratien sind die politischen Entscheidungsträger zur Kommunikation über Ziele und Werte verpflichtet. Aus diesem Grund hat die EU große Anstrengungen unternommen, um die Politikansätze und die Denkweise zu erläutern, die unserem Handeln und unseren Vorschlägen zugrunde liegen.
Jenseits einer seriösen „Public Diplomacy“
Manchmal haben wir es aber mit Akteuren zu tun, die sich jenseits einer seriösen „Public Diplomacy“ bewegen. Sie stellen ihre Art der Bewältigung globaler Herausforderungen als einzig zielführenden Weg dar und versuchen, andere zu diskreditieren. Einige – sowohl staatliche als auch nichtstaatliche – ausländische Akteure führen sogar Desinformationskampagnen und verbreiten absichtlich falsche oder irreführende Informationen. Dadurch wollen sie uns schwächen und unsere Fähigkeit, wirksam auf Krisen zu reagieren, untergraben.
„Einige – sowohl staatliche als auch nichtstaatliche – ausländische Akteure führen sogar Desinformationskampagnen und verbreiten absichtlich falsche oder irreführende Informationen.“
So werden beispielsweise die westlichen Impfstoffentwickler in mehrsprachigen russischen staatlich kontrollierten Medien offen verspottet; es wurde sogar die absurde Behauptung aufgestellt, dass die Impfstoffe Menschen in Affen verwandeln. Solche Narrative richten sich anscheinend an Länder, in denen Russland seinen eigenen Impfstoff, Sputnik V, verkaufen will. In der derzeitigen Pandemie gefährdet jeder Versuch, solche unbegründeten Zweifel zu schüren, die öffentliche Gesundheit. Auch terroristische Organisationen wie Da’esh haben die Verwirrung im Zusammenhang mit Corona missbraucht, um ihre eigene Propaganda zu verbreiten.
Desinformation ist nichts Neues
Es handelt sich um keine neue Herausforderung: Mit Desinformation haben wir schon seit langem zu tun. Mit den Möglichkeiten, die das Internet bietet, breitet sie sich nun aber rascher aus als je zuvor, und die Bürgerinnen und Bürger sind zuhause täglich damit konfrontiert. Einige staatliche Akteure wie Russland und China beteiligen sich aktiv an solchen Handlungen und versuchen, unsere demokratischen Systeme und die ihnen zugrunde liegenden Werte Freiheit, Pluralismus und Gewaltenteilung zu sabotieren und ihnen ihre Legitimität abzusprechen.
„Die EU arbeitet seit vielen Jahren an der Bekämpfung von Desinformation (externer Link), und der EAD hat bei der Überwachung kremlfreundlicher Desinformation Pionierarbeit geleistet.“
Die EU arbeitet seit vielen Jahren an der Bekämpfung von Desinformation (externer Link). Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) hat bei der Überwachung kremlfreundlicher Desinformation Pionierarbeit geleistet und anschließend seinen Blickwinkel und sein Instrumentarium erweitert. Heute konzentrieren sich die Taskforces des EAD auf drei verschiedene Regionen: den Osten, die südliche Nachbarschaft und den westlichen Balkan. Vor kurzen haben wir unseren 5. Sonderbericht über Desinformation zu COVID-19 veröffentlicht, in dem erneut aufgezeigt wird, wie viel Schaden diese Aktivitäten während einer globalen Gesundheitskrise anrichten können.
Die vorsätzliche Verbreitung falscher oder irreführender Informationen ist nur ein Teil des Problems (externer Link, nur in englischer Sprache). Während der Pandemie haben autoritäre Regime den Kampf gegen Fehl- und Desinformation auch als Vorwand genutzt, um die Grundrechte und insbesondere die Meinungs- und Medienfreiheit einzuschränken.
„Während dieser Pandemie wurde versucht, den Kampf gegen Fehl- und Desinformation als Vorwand zu nutzen, um die Grundrechte und Grundfreiheiten einzuschränken.“
Die Maßnahmen reichen von der Ausweisung ausländischer Korrespondenten bis zu Hetze im Internet und in einigen Fällen sogar Androhung körperlicher Gewalt. Wir können das nicht akzeptieren! Die Redefreiheit und die Medienfreiheit sind tragende Säulen unserer Demokratien, und wir sind auch auf eine unabhängige Berichterstattung aus der ganzen Welt angewiesen. Wenn die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten eingeschränkt wird, müssen wir eine entschlossene Haltung einnehmen.
Die EU wird diese Grundsätze schützen und wirksam auf Desinformation reagieren. Es wird oft gesagt, dass wir in Europa infolge von Silodenken nicht effektiv an Probleme herangehen. Im Bereich der Desinformation arbeiten wir tagtäglich daran, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organen und Mitgliedstaaten der EU zu verstärken und ein Schnellwarnsystem der EU gegen Desinformation zu entwickeln. Ein Netz von Beamtinnen und Beamten in den Organen der EU und in den EU-Mitgliedstaaten befasst sich mit Fragen im Zusammenhang mit Desinformation, um ein gemeinsames Lagebewusstsein und eine Bewertung der Bedrohungslage zu ermöglichen und die Koordinierung mit Forschenden, Organisationen der Zivilgesellschaft und unseren internationalen Partnern zu verstärken.
Dank der Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern wie der G7 und der NATO können wir auch globale Trends verfolgen und uns darauf vorbereiten. Faktenprüfer, Journalistinnen und Journalisten, NRO und Denkfabriken leisten ebenfalls einen enormen Beitrag zur Eindämmung von Desinformation.
Am 2. Dezember stellte die Europäische Kommission den Europäischen Aktionsplan für Demokratie mit Schwerpunkt auf der Integrität von Wahlen, dem Medienpluralismus und der Bekämpfung von Desinformation vor. In all diesen Bereichen bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Reaktion, die auch die Zivilgesellschaft, die Medien, die Wissenschaft und den Privatsektor (vor allem Online‑Plattformen und Werbetreibende) umfasst, um unsere Demokratien vor ausländischer Einmischung zu schützen.
Wir müssen auch die internationale Zusammenarbeit ausbauen. Europa ist keine Insel, denn im Cyberspace gibt es keine Grenzen. Es besteht die Gefahr, dass unsere Versuche, uns intern vor diesen Bedrohungen zu schützen, durch manipulative Eingriffe aus Ländern mit schwächeren Regulierungs- und Überwachungskapazitäten untergraben werden.
„Wir wissen, dass wir die internationale Zusammenarbeit ausbauen müssen.“
Die EU bietet Behörden und der Zivilgesellschaft auf der ganzen Welt technische Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten und Aufsichtsmechanismen, wie wir sie in der EU entwickeln. Wir leisten Unterstützung bei Fragen im Zusammenhang mit Wahlen, indem wir anderen beispielsweise bei der Beobachtung von Online-Wahlkampagnen helfen und Initiativen zur digitalen Medienkompetenz fördern. Darüber hinaus führt die EU ein Projekt zur Bekämpfung von Desinformation zu COVID-19 in afrikanischen Ländern und im Nahen Osten durch. Wir bauen Partnerschaften mit Faktenprüfern in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und im westlichen Balkan auf und unterstützen weiterhin über den Europäischen Fonds für Demokratie (externer Link, nur in englischer Sprache) unabhängigen Journalismus in unserer Nachbarschaft und darüber hinaus.
Da die EU der größte Handelsblock der Welt ist, erstreckt sich ihre Normierungs- und Regulierungsmacht auf die ganze Welt. Die Regeln und Lösungen, die wir in Europa eingeführt haben, um gegen Einmischung in unser demokratisches Leben und in unsere Wahlen vorzugehen, werden eine wichtige Rolle bei der Festlegung globaler Standards spielen. Dies gilt insbesondere für das Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“ –DSA) und das Gesetz über digitale Märkte („Digital Markets Act“ – DMA), die von der Europäischen Kommission am 15. Dezember 2020 vorgeschlagen wurden. Bei der Bekämpfung von Desinformation und ausländischer Einmischung ist ein angemessenes und transparentes Risikomanagement großer Plattformen ein Schlüsselfaktor, um die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen einzudämmen und den staatsbürgerlichen Diskurs vor Manipulation zu schützen. Unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten würden das DSA und das DMA der EU die Instrumente an die Hand geben, die für eine bessere Rechenschaftspflicht, Transparenz und Überprüfbarkeit der Maßnahmen von Plattformen erforderlich sind.
„Das Gesetz über digitale Dienste und das Gesetz über digitale Märkte werden uns dem Ziel einer besseren Rechenschaftspflicht, Transparenz und Überprüfbarkeit der Maßnahmen von Plattformen näher bringen.“
Wir müssen im Bereich der Desinformation noch mehr tun, um zu verhindern, dass unsere Gegner kostengünstige Taktiken mit geringem Risiko und hohen Erfolgsaussichten nutzen, um unsere Gesellschaften und Demokratien anzugreifen. Wir müssen sicherstellen, dass Akteure, die unsere Gesellschaften vorsätzlich durch manipulative Taktiken zersetzen und spalten, mit angemessenen Konsequenzen zu rechnen haben. Die Verbreitung von Desinformation muss ihren Preis haben.
http://twitter.com/EUvsDisinfo/status/1342741943436988416
https://twitter.com/EUvsDisinfo/status/1343501343244365824?s=08
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