Klimawandel: Die EU ist bereit, ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden

„Das kommende Jahrzehnt wird für die Bekämpfung des Klimawandels entscheidend sein. Die EU ist weltweit Vorreiter in diesem Kampf und wird auch weiterhin ihren Teil dazu beitragen.“
Gerade in den letzten Wochen hat uns die tragische Bilanz der schweren Überschwemmungen in Deutschland und Belgien sowie der anhaltenden Waldbrände in Griechenland und der Türkei oder an der Westküste Nordamerikas vor Augen geführt, wie ernst die Bedrohung ist, mit der wir konfrontiert sind. Der neue Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel for Climate Change, IPCC) (externer Link), der am vergangenen Montag veröffentlicht wurde, zeigt ebenfalls die absolute Dringlichkeit einer drastischen Senkung der Treibhausgasemissionen. Mit seinen erheblichen geopolitischen Auswirkungen ist der Klimawandel die größte Sicherheitsbedrohung in der Geschichte der Menschheit: „Die Alarmglocken schrillen, und die Fakten sind unbestreitbar. Es ist Alarmstufe Rot für die Menschheit“, wie UN-Generalsekretär Guterres es ausdrückte.
„Das kommende Jahrzehnt wird entscheidend dafür sein, dass die Erderwärmung gemäß dem Übereinkommen von Paris von 2015 unter 2 °C gehalten wird .“
„Das kommende Jahrzehnt wird entscheidend dafür sein, dass die Erderwärmung gemäß dem Übereinkommen von Paris (externer Link) von 2015 unter 2 °C gehalten wird .“ „Es ist noch nicht zu spät, das Schlimmste abzuwenden und einen unkontrollierten Klimawandel zu verhindern, aber nur, wenn wir jetzt entschlossen und gemeinsam handeln", fasste mein Kollege Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission und zuständig für die EU-Klimapolitik, zusammen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle Länder ihren Verpflichtungen nachkommen und ihre Anstrengungen vor dem Klimagipfel der COP 26 im November in Glasgow verstärken (externer Link).
In den letzten dreißig Jahren stand die EU an vorderster Front im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel. Ein Engagement, das unsere Pflicht ist: Als einer der wirtschaftlich am stärksten entwickelten Teile der Welt gehören wir zu denjenigen, die die meisten Treibhausgase emittieren bzw. emittiert haben, die für den Klimawandel verantwortlich sind.
„Unser Engagement ist eine Pflicht: Als einer der wirtschaftlich am stärksten entwickelten Teile der Welt gehören wir zu denjenigen, die die meisten Treibhausgase emittieren bzw. emittiert haben, die für den Klimawandel verantwortlich sind.“
Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Klimakrise und um andere dazu anzuhalten, ihrer Verantwortung im Vorfeld der COP 26 voll gerecht zu werden, hat die EU im Juni ein neues Klimagesetz verabschiedet. Demzufolge soll die Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts zu einer verbindlichen Verpflichtung werden und wird das EU-Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 von zuvor 40 % auf mindestens 55 % im Jahr 2030 erhöht. Dies wird eine schwierige Aufgabe sein: Bis 2019 sind die Treibhausgasemissionen der EU um 24 % gegenüber 1990 zurückgegangen. Das bedeutet, dass wir unsere Emissionen allein in den 2020er Jahren stärker reduzieren müssen als in den vergangenen 30 Jahren.
Im vergangenen Jahr sind die USA zum Pariser Abkommen zurückgekehrt und eine Reihe großer Volkswirtschaften hat sich zu einem Netto-Null-Emissionspfad verpflichtet. Rund 60 % der weltweiten Emissionen unterliegen nun einem verbesserten Klimaziel für 2030. Nicht nur die EU und die USA verstärken ihre Anstrengungen, sondern auch China, Russland und andere erkennen an, dass „mehr getan werden muss“. Die Herausforderung besteht nun darin, auf dem Glasgow-Gipfel sicherzustellen, dass alle großen Volkswirtschaften ehrgeizige, messbare und überprüfbare Ziele für 2030 aufstellen und Klimaneutralitätsverpflichtungen eingehen.
„Die Festlegung von Zielen ist der einfachere Teil. Die Umsetzung ist der schwierigere und entscheidende Teil. Die EU lässt mit dem Paket „Fit für 55“ den Worten nun Taten folgen.“
„Die Festlegung von Zielen ist der einfachere Teil. Die Umsetzung ist der schwierigere und entscheidende Teil. Die EU geht nun mit dem „Fit für 55“ -Paket – einem Paket von dreizehn Gesetzgebungsvorschlägen zur Verwirklichung der angestrebten Emissionssenkungen – mit gutem Beispiel voran. Das Paket wurde von der Europäischen Kommission im vergangenen Juli vorgelegt. Da auf die EU nur 8 % der weltweiten Emissionen entfallen, will die EU mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie politische Vorschläge unterbreitet, die andere dazu anregen können, ebenso ambitioniert zu werden und einen ähnlichen strukturellen wirtschaftlichen Wandel in Gang zu bringen, wie er in unserem Grünen Deal zum Ausdruck kommt.
Drei Kerngedanken
Das Paket stützt sich auf drei Kerngedanken. Erstens die Notwendigkeit, die erforderlichen Emissionssenkungen so kosteneffizient wie möglich zu gestalten. Dabei werden grundsätzlich allen Wirtschaftssektoren Anstrengungen abverlangt, sei es durch CO2-Preise, strengere Vorschriften oder höhere Zielvorgaben für Energieeffizienz oder den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung. Zweitens ist der Klimaschutz ein Motor für Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen, wobei die Dekarbonisierung einen wichtigen Pfeiler unserer Industriepolitik darstellt. Drittens sollte die Energiewende fair sein und sicherstellen, dass die schutzbedürftigsten Menschen und Akteure die notwendige Hilfe erhalten, um sich an die radikalen Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Wohnraum und Beschäftigung anzupassen.
„Das Paket „Fit für 55“ ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Europas, hat aber auch weitreichende globale Auswirkungen. Daher war die Einhaltung internationaler Handels- und Umweltvorschriften ein zentrales Anliegen bei seiner Gestaltung.“
„Das Paket „Fit für 55“ ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Europas, hat aber auch weitreichende globale Auswirkungen. Daher war die Einhaltung internationaler Handels- und Umweltvorschriften ein zentrales Anliegen bei seiner Gestaltung.“ Einer der Vorschläge, von denen die meisten unserer Partner betroffen sein könnten, ist die Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems. Ziel ist es, eine sogenannte Verlagerung von CO2-Emissionen zu vermeiden, die sich aus der Verlagerung der Produktion außerhalb der EU in Länder mit weniger strengen Klimavorschriften ergibt. Dies würde Arbeitsplätze in der EU kosten, ohne die weltweiten Emissionen zu senken. Das CO2-Grenzausgleichssystem vermeidet dies, indem es für Einfuhren einer begrenzten Anzahl umweltschädlicher Güter einen CO2-Preis festlegt, der ihren Kohlenstoffgehalt widerspiegelt, und zwar in gleicher Weise, wie die in der EU hergestellten Waren im Rahmen des Emissionshandelssystems der EU einem CO2-Preis unterliegen.
Das CO2-Grenzausgleichssystem zielt nicht auf bestimmte Länder
Das CO2-Grenzausgleichssystem zielt nicht auf bestimmte Länder, sondern auf spezifische Güter. Es sendet ein politisches Signal an unsere Partnerländer, im eigenen Land Kohlenstoffpreise einzuführen, sowie an ausländische Hersteller, den Kohlenstoffgehalt der Produkte zu senken, die sie in die EU exportieren. Das beste Ergebnis wäre, dass das System weltweit wirksame Mechanismen zur Bepreisung von CO2-Emissionen schafft. Es gibt bereits ermutigende Anzeichen aus Drittländern wie Kanada und Japan, die unserem Bestreben folgen könnten, ein CO2-Ausgleichssystem einzuführen. Es besteht auch wachsendes Interesse vonseiten der USA, die Möglichkeit einer CO2-Grenzabgabe zu prüfen. Und China hat gerade ein eigenes Emissionshandelssystem für den Energiesektor eingeführt.
Kandidatenländer, potenzielle Kandidatenländer sowie viele unserer Partner in der Nachbarschaft verpflichten sich, einen Großteil des Besitzstands der EU in den Bereichen Klimaschutz und Energie umzusetzen und sich am Emissionshandelssystem der EU oder an Durchführungsmechanismen zu beteiligen, die diesem gleichwertig sind. Wenn sie diese Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften erreichen, werden sie vom CO2-Ausgleichssystem ausgenommen.
„Fit für 55“, Seeverkehrssektor und Luftfahrtunternehmen
Nach dem „Fit für 55“-Paket würde auch der internationale Seeverkehr dem System zur Bepreisung von CO2-Emissionen unterworfen, würden größere Anstrengungen von den in Europa tätigen Luftfahrtunternehmen gefordert und schrittweise anspruchsvollere Anforderungen an nachhaltige Kraftstoffe für den internationalen Luft- und Seeverkehr auferlegt. Die Vorschläge ergeben sich aus der Erkenntnis, dass der Klimawandel zwar eine globale Verantwortung ist, aber wir es uns nicht leisten können, auf ein multilaterales Übereinkommen zu warten, wenn wir unser Ziel, die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 drastisch zu senken, erreichen wollen.
„Als weltweit größter Geber von Klimaschutzfinanzierung wird die EU natürlich weiterhin Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen unterstützen, bei denen der Übergang zu Netto-Null-Emissionen am dringendsten ist.“
Wir werden unseren Dialog mit unseren Partnern über das Paket „Fit für 55“ fortsetzen und uns mit ihnen über ihre eigenen Ideen für Klimaschutzmaßnahmen austauschen. „Als weltweit größter Geber von Klimaschutzfinanzierung wird die EU natürlich weiterhin Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen unterstützen, bei denen der Übergang zu Netto-Null-Emissionen am dringendsten ist, und zwar durch technische Hilfe, Technologietransfer, umfassenden Kapazitätsaufbau und finanzielle Unterstützung.“
Gemeinsam mit unseren Mitgliedstaaten und unseren Finanzinstitutionen, die als Team Europa fungieren, waren wir bislang der größte Geber für den mit 100 Mrd. USD ausgestatteten globalen Klimaschutzfonds (externer Link). Diese Anstrengungen werden in Zukunft durch den neuen NDICI-Fonds für ein globales Europa, der 30 % seiner Mittel für den Klimaschutz bzw. die Anpassung an den Klimawandel vorsieht, verstärkt.
„Mit dem neuen Klimagesetz und dem Fit-für-55-Paket zeigen wir, dass die EU bei den notwendigen globalen Anstrengungen ihren Teil dazu beitragen wird.“
Neben der Datentechnologie ist der Klimawandel das entscheidende Thema unserer Zeit. Wie Frans Timmermans und ich bereits schrieben: Die Wissenschaft sagt uns, dass wir JETZT mit dem grünen Wandel beginnen müssen, die Wirtschaft lehrt uns, was wir tun sollen, und die Technologie zeigt uns, dass wir es können. Ein gerechter Übergang zu einer Welt mit geringen CO2-Emissionen ist auch von entscheidender Bedeutung, um geopolitische Spannungen zwischen den Ländern zu begrenzen: Wie vom Europäischen Rat gefordert, wird die Klimadiplomatie auch weiterhin im Mittelpunkt der Außenpolitik der EU stehen. „Mit dem neuen Klimagesetz und dem Fit-für-55-Paket zeigen wir, dass die EU bei den notwendigen globalen Anstrengungen ihren Teil dazu beitragen wird.“
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